Atlantiküberquerung (2.12. - 21.12.2008)

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Atlantiküberquerung (2.12. -21.12.2008) Vorbereitung Wir liegen in Mindelo auf der Kapverdeninsel Sao Vincente vor Anker. Ab Dezember können wir den Atlantik überqueren, da haben wir grünes Licht von unserer Versicherung. Schon Tage vorher verfolgen wir die Wetterberichte intensiv und stellen fest, recht wenig Wind, viele Flautenzonen über den Atlantik verteilt, der Winterpassat hat sich offenbar noch nicht voll durchgesetzt. So ab 2. Dezember scheint sich ein günstiges Wetterfenster für 5 Tage aufzutun, was danach ist weiss nur Aeolus, der Gott des Windes bei den alten Griechen. Wir beschliessen, am 2. Dezember zu starten. Wir, das sind Rita und Gerold von der Amphora, Anne und Werner von der Sailaway und Wolfgang von der Amiga. Wir wollen uns taeglich 3 mal per Funk absprechen und unsere Wetterinfos austauschen. Dieses „Konvoi-Segeln“ hat sich von den Kanaren runter zu den Kapverden schon bewährt, auch wenn jeder seinen eigenen Kurs segelt und man sich kaum je mal sieht, man kann Wetterberichte besprechen und weiss, dass im Notfall zumindest jemand in der Nähe ist, der Alarm schlagen könnte. Wir haben zwar alle sehr unterschiedliche Schiffe, wir Kunststoff 10m, Sailaway Stahl 13m, Amiga Aluminium 13m. Wie sich dann später herausstellen sollte, spielt die Grösse für die Geschwindigkeit bei leichteren Winden gar nicht so eine grosse Rolle, entscheidend ist, wie man das Schiff segelt. Am 1. 12. 08 wird gross eingekauft und alles atlatiktauglich verstaut. Am Morgen des 2.12.08 werden dann alle verfügbaren Wetterberichte nochmals durchgecheckt und wir beschliessen, am frühen Nachmittag abzulegen, Kurs Martinique, französische Antillen. Warum gerade Martinique ? Einmal kennen wir den Süden der Karibik vom Chartern her schon und noch wichtiger, falls es technische Probleme geben sollte, so ist Martinique der Ort, wo man alles bekommt und reparieren kann. 2.-4.12.08 Wir wollen relativ rasch nach Süden segeln, so auf 14-30 N, da scheint es den besten Wind zu geben. Es beginnt aber mit einem „Fehlstart“. Wenig Wind, aber viel Welle und ununterbrochenes Schlagen der Segel machen einen richtig mürbe. Wir schlafen die ersten 48 Stunden überhaupt nicht und werden immer nerviger, es ist kaum noch zum Aushalten dieses ewige Schlagen der Segel und der absolut chaotische Seegang. Und noch 2000sm vor uns, das kann ja heiter werden. In der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember sind wir völlig am Ende, kein Schlaf, keine Ruhe und nur langsames Vorwärtskommen. Wir müssen zu Lexotanil greifen und können nun erstmals schlafen, das wirkt Wunder. Apropos schlafen, das ist nicht wie zuhause, nein alle 3 Stunden Ablösung raus ins Cockpit und dann wieder 3 Stunden pennen und das rund um die Uhr, dazwischen mal was kochen oder einfach was in den Mund schieben, wenn kochen nicht möglich ist wegen des chaotischen Seegangs. Chaotischer Seegang, das ist Welle von allen Seiten, total unregelmässig, das muss man sich so vorstellen, man ist todmüde und pennt schon im Sitzen ein -nein - eben nicht, man wird so geschüttelt und hin und her geworfen, dass man nicht einpennen kann, man wird 2 cm von der Koje hochgehoben und dann wieder runtergedrückt, man stösst sich ununterbrochen am Rücken, am Knie, am Kopf und kann eben nicht einschlafen. Sowas haben wir noch nie erlebt, der Körper reagiert mit unkontrollierten Zuckungen und nun muss man was unternehmen, zu Lexo greifen, damit sich der Körper wieder entspannt, sonst kommt irgendwann der Zusammenbruch. 5.-9.12.08 Ab dem 5. Dezember wird die See regelmässiger, wir beginnen das Segeln zu geniessen und setzten den Parasailor, ein Leichtwettersegel mit einer eingebauten Venturidüse. Das Setzen des Segels ist recht mühsam, es wickelt sich immer wieder ums Vorstag, aber wenn es mal steht, dann läuft das Schiff wie auf Schienen und fast ohne Rollbewegungen. Wir laufen 3 Tage unter dem Parasailor als einzigem gesetzten Segel, einmal pro Tag kommt er runter zur Inspektion, ob irgendwo was durchgescheuert ist. Traumhaftes Segeln im Passat, wir beginnen nun auch zu fischen und schleppen Köder hinterher. Leider mit mässigem Erfolg, eine schöne, sicher 70cm grosse Goldmakrele reisst sich beim Einholen 1m hinter dem Heck wieder los – also weiterhin Dosenfutter anstatt Frischfisch. Wir machen so Etmale (Distanz zwischen zwei Mittagszeiten) von ca. 120 sm, nicht regattaverdächtig, aber was Fahrtensegler ohne Regattaambitionen bei leichterem Passat so schaffen können, übrigens fast egal wie gross das Schiff ist. Grössere Schiffe brauchen mehr Wind um schneller zu sein, ja und der fehlte eben bei unserer Ueberfahrt weitgehend. Und so bleiben wir drei unterschiedlichen Schiffe relativ nahe beisammen. Es gibt Tage, da sehen wir uns mal von Weitem, wir sind selten mehr als 25 sm voneinander entfernt. Nur die Amiga von Wolfgang gerät etwas in Rückstand, er hat keinen Passatbaum, um die Segel vor dem Winde auszubaumen und ist zudem alleine und muss mehr darauf achten, dass sein Körper genug Schlaf erhält. Inzwischen werden wir auch von Intermar (eine Amateufunkerstation in D) geroutet, das heisst Intermar gibt uns Tipps betr. optimaler Route und Wettergeschehen. Und so können wir mehrfach kleinen Tiefdrucksystemen frühzeitig aus dem Wege gehen. Diese Tiefdrucksysteme sind für mich ein unerwartetes Phänomen. Sie kommen alle von Süden (Nordbrasilien) über den Aequator und haben uns den Passat abgeschwächt. Ich hab schon viel übers Wetter gelesen, aber noch nie gehört, dass Tiefs die Intertropische Konvergenzzone beim Aequator einfach so locker überschreiten. Ja das Wetter, ihr könnt euch kaum vorstellen wie wichtig das ist, wenn man mal draussen auf dem Atlantik ist, da dreht sich alles ums Wetter, das ist das Thema schlechthin. Wir haben seit Tagen schönste Bedingungen, Passat E bis SE, 10 bis 14 Knoten, aber immer Seegang zwischen 3 und 4 Metern. Die Ursache für den relativ hohen Seegang ist schnell klar, nordöstlich von uns in einigen 100 sm Abstand kachelt es beständig mit 25-30 Knoten. Die Schiffe, welche direkt von den Kanaren losgesegelt sind, erwischen voll das Starkwindband und werden stark gebeutelt. Später dann in Martinique treffen wir Bruno und Heidi vom Katamaran Infinity, wir haben sie in Agadir kennen gelernt, ein Schweizerpaar vom Bodensee, sie sind gleichzeitig wie wir losgesegelt aber von den Kanaren und nicht von den Kapverden, wie wir. Sie haben uns von einer mühsamen Starkwindatlantiküberquerung berichtet, wir haben den Eindruck, dass sie die Nase im Moment etwas voll haben von längeren Ueberquerungen. Praktisch täglich sehen wir irgendwelche Schiffe am Horizont, mal näher, mal ferner, meistens Segler, zweimal aber auch grosse Pötte, es scheint ziemlich viel los zu sein auf dem Atlantik zu dieser Jahreszeit. 10.-19. 12.08 Die Tiefs kommen nun immer schneller von Süden über den Aequator und Intermar kann uns nicht mehr weiterhelfen, wir können nicht mehr ausweichen, wir müssen mitten durch, wir sollen uns so auf 14-30 N halten und versuchen West zu machen. Der Wind wird sehr wechselhaft, mal fast Flaute, dann Regenboeen mit 25 kn, dann wieder schönster Passat um 14 kn aus östlicher Richtung. Ein Höhepunkt jeden Tages ist das Abendessen, Rita kocht wunderbar auch bei schwierigen Bedingungen, alle Achtung, das könnte ich nicht. Am 12.12.08 fängt sie eine wunderschöne Goldmakrele und wir haben ein Schlemmernachtessen. Am 13.12.08 sehen wir erstmals Wale, zum Glück nicht allzu nahe und sie scheinen uns zu ignorieren-gut so, die Dinger sind einfach zu gross für unser kleines Schiff. Aber wir sollten uns täuschen, am 14.12.08 um 21.00 UTC geht ein leichter Ruck durchs Schiff und eine Sekunde später ein etwas stärkerer, ich denke gleich an Wale-das Schiff stoppt fast-nichts zu sehen-da an Backbord treibt ein toter Wal, etwa 10m lang an uns vorbei, die Verwesungsspuren sind deutlich zu sehen-also toter Wal gerammt. Sofort kontrolliere ich die Bilge-kein Wassereinbruch. Puh!! Der Atlantik ist doch so gross und ausgerechnet wir treffen so ein Kadaver !! Glücklicherweise waren wir beim Aufprall nicht sehr schnell, vielleicht so 4.5 kn, nicht mehr, sonst hätte das Böse enden können. Nochmals Glück gehabt. Die nächsten Tage sind wieder sehr wechselhaft, zwischendurch motoren wir auch mal eine oder zwei Stunden, aber wir haben nur Platz für 90l Diesel, ca. 1/3 davon brauchen wir, um mit dem Wassermacher Süsswasser zu machen, da müssen wir den Motor sehr sparsam einsetzen. Am 15.12. 08 füllen wir den letzten Kanister Diesel in den Tank, nun brauchen wir Wind, sonst müssen wir einfach in der Flaute dümpeln, denn wir benötigen noch etliche Liter Treibstoff für die Ankunft, Einfahrt in den Hafen usw. Die nächsten Tage bis zum 19.12.08 sind ein Flautenrennen, aber immer mit 2 bis 3m Welle und das ist gar nicht so angenehm, aber man gewöhnt sich offenbar an fast alles. Ja und Rita bäckt da auch nochfrisches Brot, eine Delikatesse. Inzwischen haben wir das Zeitgefühl fast verloren, wir könnten nun auch noch ein paar Wochen weitersegeln, wir haben irgendwie den Rhythmus gefunden, 3 Stunden Schlaf, 3 Stunden Wache rund um die Uhr, dazwischen mal ein Segelwechsel, eine Halse, kaum Navigation, wir segeln auf 14-30 N und werden da unweigerlich irgendwann auf Martinique stossen. Ab dem 19.12.08 verspricht uns Intermar nun endlich Wind und tatsächlich !! 19.-21.12.08 Am 19.12.08 um 20:00 UTC kommt er, 20 kn aus N mit 3m Welle, da geht die Post ab, mit maximaler Rumpfgeschwindigkeit (ca. 7 kn) nähern wir uns dem Ziel-juhui !! Unsere Freunde von der Sailaway haben in den Flauten etwas mehr motort, die haben ja auch 1500 l Diesel und hätten auch über den ganzen Atlantik motoren können, während wir nicht viel mehr als 200 sm unter Motor zurücklegen können. So sind sie nun etwa 60 sm vor uns und werden als erste Martinique erreichen, während Wolfgang ca. 200 sm hinter uns liegt. Wir rauschen die ganze Nacht dem Ziel entgegen und freuen uns auf die Ankunft. Am 20.12.08 allerdings erhalten wir Besuch, den wir mit gemischten Gefühlen betrachten. Ein riesiger Wal begleitet uns, ca. 10m lang-er beginnt mit unserem Schiff zu spielen wie ein Delphin, taucht unten durch, kommt hoch, beäugt uns von der Seite und da- er hat sich offensichtlich entschlossen uns zu versenken, er nimmt Anlauf von achtern, in der 3m hohen Welle gut zu sehen, er ist in der Welle höher als wir, und nun volle Pulle Richtung Ruderblatt- mir bleibt der Atem stehen, ich sehe uns schon in der Rettungsinsel!! Puh, er ist unten durchgetaucht und weg ist er-keine Kollision, alles iO. Also Wale habe ich nun genug gesehen, Neptun verschone uns vor weiteren solchen Riesen!! Es läuft nun wie irre, immer Rumpfgschwindigkeit und am 21. 12. 08 um die Mittagszeit erfahren wir per Funk von unseren Freunden Anne und Werner von der Sailaway, dass sie bald in der Bucht von St. Anne auf Martinique den Anker werfen werden. Wir werden Martinique bei Tageslicht nicht mehr schaffen, aber da wir schon zweimal da waren, getrauen wir uns auch bei Nacht einzulaufen. Beim Einnachten sind wir an der Südspitze von Martinique und nehmen nun Funkkontakt zur Sailaway auf, sie werden uns per Funk an ihren Ankerplatz lotsen. In der Bucht von St. Anne liegen immer extrem viele Schiffe vor Anker, hundert oder mehr- es ist Neumond und die Strassenbeleuchtung von St.Anne blendet sehr, wir können Ankerlieger kaum sehen, da die meisten auch noch kein Ankerlicht führen. Wir werden per Funk gelotst und schleichen uns in die Bucht hinein-da die Sailaway-Anker tief-geschafft. Werner holt uns sofort mit dem Schlauchboot ab und wir feiern bis Mitternacht unsere erfolgreiche Atlantiküberquerung. Ein Spaziergang war es nicht, aber es hätte mit Sicherheit noch härter sein können- wie auch immer-wir sind mächtig zufrieden, den Atlantik geschafft zu haben, nicht in Rekordzeit, 19 Tage Ueberfahrt, für ca. 2100 sm also ein Schnitt von ca. 4,5 Knoten, ca. 9 km/h, also quasi im Laufschritt über den grossen Teich. Immerhin Kolumbus hatte 21 Tage, den haben wir also um 2 Tage geschlagen und das ist doch auch schon was. Ja und Schäden haben wir, an den Segeln, selber Schuld, zu wenig aufgepasst, aber das lässt sich reparieren. Aergerlich war auch die Computerpanne ab dem 16.12.08- aber sonst haben wir den Törn schadlos überstanden. Am 24. 12. kommt auch Wolfgang pünktlich zum Weihnachtsfest in Martinique an. Grosses Fest bei Anne und Werner, Weihnachten in den Tropen bei 30 Grad, mal wirklich was anderes. Es grüssen euch Rita Schaich Gerold Lüscher