USA/Bahamas Oktober 2016 bis Anfang Januar 2017

 

Bereits Mitte Oktober 2016 reisen wir zu unserem Segelboot in Florida. Neben den üblichen Unterhaltsarbeiten steht ein grösseres Projekt an, Kontrolle des inneren Zustandes unseres Ruderblattes und danach evtl. Ersatz des Ruders. Sowas liest sich einfach, ist es aber nicht. Schlussendlich hat das geschlagene 4 Wochen gedauert. Aber der Reihe nach. Beim Auskranen letztes Jahr ist mir aufgefallen, dass da wo der Ruderschaft ins Ruderblatt geht, eine Roststelle am Chromstahlruderschaft aufgetreten ist. Recherchen im Internet und der Fachliteratur ergeben, dass dies ein ernstes Alarmzeichen für sogenannte Lochfrass -oder Spaltkorrosion im Innern der Ruderblattes sein könnte. Und ein gebrochenes Ruderblatt in einem Sturm wäre der absolute Supergau, steuerlos in der tobenden See, nicht auszudenken, wesentlich schlimmer als ein Mastbruch. Eigentlich rostet rostfreier Stahl ja nicht, könnte man meinen, aber dem ist nicht so. In tropischen Gewässern korrodiert von Dutzenden von verschiedenen Chromstählen nur eine einzige Sorte nicht, der AISI 318. Aber den verwendet kaum eine Werft, 50% teurer als der übliche 316, Probleme treten erst nach Jahren auf, wenn die Garantie erloschen und der Kunde in fernen Gewässern ist. Ein Blick auf die kritischen Unterwasserstellen an ausgekranten Booten in den Tropen spricht Bände, schätzungsweise jedes 2 Schiff hat deutlich sichtbar solche Probleme.

 

Um zu wissen wie es im Ruderblatt drin ausschaut, muss man es öffnen und mindestens den oberen Teil des Schaftes freilegen. Das hat die Werft getan, danach mit einer Spezialflüssigkeit auf mikroskopisch kleine Korrosionsspuren untersucht. Resultat: alles ok. Die Korrosionsspur sogenannter Flugrost. Danach alles wieder schichtweise zulaminieren mit Glasfaser und Epoxitharz hat gedauert und gedauert, immer wieder aushärten lassen braucht Zeit und ich bin nicht der einzige der was von der Werft will. Die Werft nimmt noch eine Veränderung am Sitz des Ruderblattes vor, wirklich perfekt, das Blatt ist nun besser als neu. So nun wisst ihr, was wir 5 Wochen auf einer Werfttreiben.

 

Die Werft hat auch Stellplätze für Camper und unsere Segelfreunde von der Sailaway, Anne und Werner, kommen uns mit ihrem Camper besuchen. Sie sind mit uns parallel über den Atlantik gesegelt und danach weiter bis Thailand, haben dort das Schiff verkauft und sind jetzt für 1 Jahr mit dem Camper in den USA unterwegs. Grosses Wiedersehen. Mit ihnen zusammen unternehmen wir im Mietauto einen Ausflug in die Everglades und nach Key West. Ist super toll nach all den Werfttagen. Dabei müssen Rita und ich ein Bild im Kopf korrigieren, die Everglades sind für uns Sumpfland mit Alligatoren und braunem Wasser. Stimmt alles ausser das Wasser, das ist glasklar und von Trinkwasserqualität.

 

Gegen Ende November ist das Schiff endlich startklar und wir verabschieden uns von Anne und Werner und segeln nach West Palm Beach. Dort warten bereits Rosi und Claus aus Kanada auf uns, sie berichten von einem tollen Ankerplatz mitten in der Stadt. Und tatsächlich in 10 Minuten ist man am City Place von West Palm und auch beim Supermarkt. Viel Santa Claus überall, Amerika halt. Auch Romy und Theo von der Titaro treffen wir in West Palm, inzwischen vom Katamaran auf einen Trawler umgestiegen, wollen sie auch auf die Bahamas.Schon nach 4 Tagen tut sich ein Wetterfenster auf um über den Golfstrom nach den Bahamas zu segeln. Das geht ja nur wenn der ewig aus Osten wehende Passat von einer Front weggedrückt wird. Mit dem Südwind der einsetzenden Kaltfront segeln wir über den Golfstrom nach den Abacos (Nordgruppe der Bahamas). Wir brauchen 30 Stunden bis Green Turtle Cay, wo wir einklarieren können. Unser Metereologe in Florida, Chris Parker, sagt uns ein Fenster von 36 Stunden voraus. Wir wagen es, obwohl 6 Stunden Reserve wenig ist, die Front kann sich auch mal beschleunigen und dann wird es ungemütlich. Wir könnten allerdings an 2 Orten abbrechen, falls nötig, und uns hinter einer Insel verkriechen. Es klappt aber grossartig, schönes Segeln über den Golfstrom (sehr selten) und problemloses Einklarieren in Green Turtle Cay. Abacos wir sind da. In Green Turtle treffen wir zufällig unsere amerikanischen Segelfreunde Art und Jean. Sie wollen länger hier bleiben, bis Ende Jahr. Das ist uns zu lange und so segeln wir in kleinen Hüpfern von Bucht zu Bucht und von Hafen zu Hafen. Das Wetter ist verglichen mit letztem Jahr (war ja auch ein El Nino) sehr gut und so schnorcheln und schwimmen wir im glasklaren Wasser jeden Tag. Das glasklare Wasser überall in den Bahamas ist wirklich unglaublich, wir kennen kein anderes Segelrevier, das überall derart sauberes Wasser hat. Der Grund dafür ist wohl einerseits die Tatsache, dass es ein Tidenrevier ist bei dem alle 12 Stunden frisches Atlantikwasser zwischen die Inseln gespült wird, aber auch die Tatsache, dass in einem Gebiet doppelt so gross wie die Fläche Italiens gerade einmal 40’000 Personen leben, ohne jede Industrie. Die übrigen 340’000 Bahamier leben in Nassau auf einer relativ kleinen Insel und dort sieht es auch anders aus. Die Abacos haben uns sehr gut gefallen, vor allem wenn man die üblichen Trampelpfade der Segler verlässt, z.B. Tilloo Island war traumhaft schön, Palmen, Sand, klares Wasser.

 

Mitte Dezember wechseln wir von den Abacos nach Süden in die Exumagruppe. Das ist eine offene Atlantikstrecke von ca. 100km Distanz von Little Harbour nach Spanish Wells. Die Strecke haben wir schon 2 mal gemacht, allerdings von Süd nach Nord und jedes Mal hatten wir einen absolut chaotischen Seegang. Wir warten ein mildes Wetterfenster ab und segeln los. Wind 12kn (ca. 24 km/h) aber auch jetzt ein Seegang wie bei 20 kn. Bald wird uns klar warum das in dieser Ecke so ist. Es hat Strom und Stromwirbel, das steht aber auf keiner Seekarte und auch nicht im Handbuch. Aber der GPS zeigt es deutlich. Einmal 1.5kn Mitstrom, dann gar kein Strom, dann wieder 1kn Gegenstrom und so fort. Bekanntlich gibt das dann schon bei wenig Wind gegen den Strom einen chaotischen Seegang. Wir kommen erst in der Nacht in Eleuthera (bei Spanish Wells) an und können nicht mehr in die Marina rein, zu gefährlich ist dort die Einfahrt bei Nacht. So gehen wir zu einem Platz in 5sm (ca. 10 km) Distanz, in Royal Island, vor Anker. Am nächsten Tag dann rein nach Spanish Wells, Überraschung, die Marina ist komplett neu gebaut und sehr schön gemacht, es fehlt an nichts, Restaurant, Laundry, Swimming Pool alles da. Überhaupt ist Spanish Wells ein spezieller Ort, der Fischereihafen der Bahamas, eine Atmosphäre von Fischerboot und Lobster. Wir kaufen entsprechend ein. Rita kriegt glänzende Augen vor lauter Fischleckereien. In Spanish Wells ist man noch nicht in den Exumas, sondern immer noch ca. 30 sm nördlich davon. Um von da in die Exumas zu kommen muss man entweder einen grossen Umweg über Nassau machen oder direkt über den Middle Ground, ein mit Korallenköpfen übersätesGebiet segeln. Wir entschliessen uns für die direkte Variante und warten auf gutes wolkenloses Wetter, damit man den Korallenköpfen ausweichen kann, denn die sieht man bei klarem Himmel sehr gut, schwarze Flecken im Türkiswasser. Der Start gelingt auch gut, aber dann ausgerechnet um die Mittagszeit als wir im schlimmsten Korallenkopfabschnitt sind, ziehen Wolken auf. Mist. Umkehren wegen der Windrichtung unmöglich, Ankern und abwarten keine Option, zu gross wäre das Gewackel, also weiter. Wir sehen die Köpfe immer auf kürzere Entfernung, Rita geht an den Bug und zeigt die Korallenrichtung an, damit ich letzter Sekunde noch ausweichen kann. Das gelingt ganz gut bis auf einen, den übersehen wir und rauschen vierkant drüber. Ich kann nichts mehr tun und starre wie gebannt auf den Tiefenmesser. Die Tiefe steigt von ca. 5m auf der Korallenbank über dem Korallenkopf abrupt an, ich höre es schon krachen - aber der Tiefenmesser bleibt bei 2,2m stehen und wir haben 1,5m Tiefgang. Schnauf und geschafft. Am Abend gehen wir vor Highborne Cay vor Anker und trinken ein paar kräftige Whiskys, geschafft.

 

Nun segeln wir die nächsten Tage die Exumakette runter und geniessen jeden Ankerplatz. An Weihnachten sind wir im Exumanationalpark in Warderick Wells und feiern mit den Parkrangern und den Seglern Weihnachten. Wie immer wenn Amis so was organisieren geht es unkompliziert zu und her. Die Ranger spendieren das Fleisch, jedes Schiff bringt eine Beilage für alle. Fertig. Eine Kaltfront hält uns für 4 Tage fest, das stört uns aber gar nicht. Der Exumanationalpark ist ca. 70 km lang und ohne jegliche Siedlung, auch kein Handynetz oder sowas, nur Natur pur- wunderschön wenn man sich Zeit nimmt die Korallenriffe anzuschauen. An Silvester kommt eine Kaltfront mit viel Wind, wir gehen nach Cambridge Cay weil wir glauben, dass da ein guter Schutz vorhanden ist. Geschützt ist man, wie wir lernen müssen, aber unbequem, eine ganze Nacht kommt Schwell rein und lässt uns rollen, wir schlafen keine Sekunde. Danach gehen wir weiter nach Staniel Cay zum Einkauf. Was heisst Einkauf? Das Supplie-Boat ist mal wieder nicht gekommen und es gibt in unbeschränkter Zahl nichts!! Einkaufen in den Bahamas ist nun mal schwierig, es wird alles importiert und wenn das Boot nicht kommt gibt es halt auch mal für 2 Wochen nichts, nada!! Dann essen die Insulaner halt Bohnen mit Reis und Reis mit Bohnen. So geht es uns jetzt, wir leben von den Schiffsvorräten, denn zu kaufen gibt es nichts! Nach dem kostengünstigen Nichteinkauf in Staniel müssen wir uns aber bald verstecken, eine Monsterkaltfront, eine der stärksten des Winters soll kommen am 7. Januar mit 4,5 m Welle und bis 45 kn Wind. Normale Fronten sausen von den USA runter bis Mittelamerika und nach Osten bis in die südlichen Bahamas, diese hier soll aber bis Puerto Rico gehen und das gesamte Wetter der Ostkaribik bis ganz runter für eine Woche auf den Kopf stellen. Alle Ankerplätze, welche auch nur andeutungsweise nach Norden offen sind, werden mit meterhohem Schwell eingedeckt. Jetzt am 8. Januar sitze ich am Kartentisch am Computer und draussen im Hafen von Compass Cay heult der Wind und lässt unser Boot in Böen immer wieder krängen. Gut sind wir hier drin.

 

Wenn die Front weg ist wollen wir weiter nach Süden, sicher bis George Town und danach, wenn das Wetter stimmt, in die Jumento Cays und nach Ragged ganz im Süden der Bahamas. Danach evtl. ,falls alles passt, nach Cuba und via Bimini (Bahamas) zurück nach Florida. Wir werden sehen.

 

Grüsse

 

Rita Schaich

 

Gerold Lüscher