Im Laufe des Nachmittags kommen wir der US-Küste näher. Ein wenig Bammel haben wir schon, es kursieren so viele Gerüchte in den Bahamas betr. Einreise in die USA, dass einem fast schwindlig wird. Von Durchsuchung auf offener See, über Überwachung per AWACS bis zur Inhaftierung wegen Missachtung der 96-stündigen Voranmeldung des Einreisezeitpunkts ist da die Rede. Die Homepage des Zolls (Customs and Homeland Security) macht auch widersprüchliche Angaben, gesichert scheint, man muss sich bald möglichst per Telefon beim Zoll melden, dazu habe ich mir die Telefonnummern im Internet notiert. Je näher wir der Küste kommen desto mehr spähen wir nach Küstenwachbooten, AWACS-Aufklärern, Helis-aber nichts, ein paar Sportfischer winken. Wir fahren ins Inlet rein, sicher wartet ein Kontrollboot innen am Inlet, da muss ja jeder durch und mit 12 solchen Booten könnte man die ganze Ostküste kontrollieren. Aber welch ein Wunder, kein Kontrollboot, einfach nichts, es dunkelt schon und wir schleichen uns in die erste Marina. Per Funk will ich nach einer Zollpier oder so fragen, es meldet sich kein Mensch. Wir hängen uns einfach irgendwo in der Marina an einen Steg-Schluss. Sofort rufe ich per Handy eine der notierten Zollnummern an- nah ihr vermutet richtig-es meldet sich wieder kein Mensch. So nun ist guter Rat teuer, da kommt wie gerufen eine Nachtwächterin der Marina, ca. 1.60 m gross und bestimmt 150 Kilo schwer, sie kann sich kaum bewegen. Wir fragen, ob diese Marina sicher sei, ja sagt sie, alle bösen Buben in der Gegend wüssten, dass sie hier sei und deshalb passiere nie etwas. Hm !! Ja und betreffend Zoll, da sei ein Plakat des Zolls beim Marinagebäude, da stünde was drauf, ich könne da mal nachsehen. Ja und da steht tatsächlich wieder eine andere Telefonnummer drauf, eine die nicht im Internet steht. Inzwischen ist Mitternacht und wir rufen die Nummer an. Irgendwo in einem Büro meldet sich eine schlaftrunkene Stimme und fragt was zur Hölle wir um diese Zeit wollten. Ich erkläre alles und zudem hätte ich gelesen usw., ja das sei schon so und wenn ich nun schon angerufen hätte, so wolle er so nett sein und alles aufnehmen, er fragt nach Visum, Passnummer usw. Danach erhalten wir eine Nummer, das sei nun unsere Clearence, mit der Nummer seien wir nun legal in den USA, wie beruhigend ! Waren wir den bisher illegal da ? Wir sollten uns einfach mal in den nächsten 24 Stunden auf einem Zollbüro melden. Wo ist so ein Büro ? Nach langem Warten teilt er uns mit, wir müssten zum Flughafen in Fort Pierce. Wie es sich für brave Eidgenossen gehört, sind wir um 08:00 am nächsten Morgen vor dem Zoll am Flughafen - und rennen an. Der Zoll öffnet erst um 10:00 - also warten. Um 10 vor 10 kommt dann ein Zöllner nach dem anderen, jeder mit einer unübersehbaren riesigen Thermoskaffeekanne unter dem Arm, das scheint ein wichtiges Werkzeug des Zolls zu sein. Pünktlich um 10 werden wir zum Schalter gebeten. Als der Zöllner unsere Cruising Licence aus Puerto Rico sieht strahlt er und meint, so sollte es immer sein, das Wichtigste !!!, der Papierkram, hat schon der Kollege in Puerto Rico erledigt. Er notiert im PC unser Einreisedatum - das wars. Keine Schiffsinspektion-nichts. Gehörten wir zu Bin Ladens Schergen, wir wüssten nun ein Schlupfloch. Wir erzählen später unser Einreiseerlebnis einem pensionierten höheren Regierungsbeamten, den wir als Segler kennen lernen. Er grinst nur und meint, typisch, die amerikanische Administration sei sehr inconsistent - widersprüchlich. Ja das ist sie ganz offensichtlich.
Von Fort Pierce fahren wir im Intracoastel Waterway, ein System von Kanälen, Flüssen und Seen innerhalb der US-Ostküste, nach Norden, meistens unter Motor mit Segelunterstützung, ab und zu reines Segeln. In Florida ist das Landschaftsbild sehr unterschiedlich, manchmal fahren wir stundenlang an riesigen Villensiedlungen vorbei, allerdings steht an jeder fünften Villa ein Schild: For sale !! Dann wieder ist die Landschaft sehr langweilig. St. Augustine in Nordflorida ist die älteste Stadt der USA, ein spanisches Erbe und so sieht sie auch aus, sie könnte irgendwo auf den Kanaren sein. Nur ist hier alles sehr touristisch ausgeschlachtet, trotzdem sehenswert. In der ersten Stadt in Georgia, in Brunswick, bleiben wir 10 Tage hängen, Orkan draussen auf See, aber im Hafen recht geschützt. Nach einer Woche kommt ein Engländer mit seiner Freundin durch das Inlet rein in den Hafen, fix und fertig, die Freundin unter Tränen. Die beiden haben die Sturmwarnung nicht ernst genommen und versucht auf See nach Norden zu kommen – es kam wie es kommen musste, während 3 Tagen 60 Knoten Wind, die Wellen brechen über das Schiff und füllen das Cockpit konstant mit Seewasser. Einlaufen unter diesen Bedingungen in ein Inlet wäre das sichere Ende, es bleibt ihnen nichts übrig als 60 sm vor der Küste beizuliegen (Für Nichtsegler: sich ohne Segel treiben lassen). Die Küstenwache will sie per Helikopter abbergen, doch sie wollen das Schiff nicht verlieren und harren aus. Nach einer Woche hat sich sie See so beruhigt, dass sie es wagen können das Inlet zu befahren. Wir freunden uns an und so beschliessen wir, den Törn nach Norden gemeinsam fortzusetzen bis zur Chesapeake-Bay, der grossen Bucht südöstlich von Washington. Die ersten Tage durch Georgia sind zwar noch windig und regnerisch, aber die Landschaft ist atemberaubend, Natur pur, riesge Eichenwälder, Seeadler und Ospreys (eine Art Bussard) überall, kaum ein Haus und schon gar keine anderen Boote. Später erfahren wir dann wieso wir so alleine sind in Georgia. Der Intracoastel in Georgia gilt unter den Amis als extrem schwierig, weil man hier bei 2.50 m Tidenhub immer mit der Tide arbeiten muss, es gibt Stellen, die fallen im Fluss trocken und da muss man genau bei Hochwasser drüber, sonst steckt man im Schlick fest. Für uns ist diese Tidennavigation kein Problem, haben wir doch im Englischen Kanal und in der Bretagne jahrelang bei 10 m Tidenhub nie einen der zahlreichen Granitfelsen gekratzt. Bobby Schenk (ein Weltumseglerpapst) hat mal geschrieben, wer im Englischen Kanal segeln kann, der kann überall auf der Welt segeln. Ob das so ist weiss ich nicht, aber hier in Georgia hat uns das sicher geholfen. Auf der Isle of Hope bei Savannah unternehmen wir eine Velotour, wunderschöne Wohnhäuser im Südstaatenstil mit Veranda und Schaukelstuhl, aber auch hier viele Häuser haben ein Verkaufsschild. Savannah selbst hat uns sehr gut gefallen, eine Stadt im sogenannten Englisch Colonial Style mit wenig Bausünden, viel Charme und viel Grün. Charleston dann in South Carolina ist ebenfalls eine tolle Stadt, hat aber nicht den Charme von Savannah, alles ist grösser, fast schon etwas protzig, trotzdem geniessen wir die paar Tage in dieser Südstaatenstadt. Nach Charleston verlassen wir den Intracoastel und segeln draussen auf dem Atlantik ca. 200sm nach Norden bis Beaufort, North Carolina. Hier gefällt es uns weniger, viele riesige (16-18m) Motorboote zum Sportfischen. Die kurven rum wie irre und stellen ein paar Thunfischen und Marlins nach. Diese Boote pumpen pro Tag so 1000 l Diesel durch die Maschinen und entsprechend ist in den Häfen alles auf Big Monney ausgelegt. Als wir 30 l Diesel tanken kriegt der Tankwart fast einen Lachanfall. Sailing People – poor people, meint er. Wir ziehen am nächsten Tag weiter Richtung Dismal Swamp Canal, das letzte Kanalstück vor dem Chesapeake. In diesem Abschnitt ist alles sehr seglerfreundlich, in allen Gemeindehäfen kann man für einige Tage gratis liegen . Zum Einkaufen, in den USA fast immer ein Problem, da die Lebensmittelgeschäfte weit draussen auf der grünen Wiese liegen (manchmal 20 km entfernt), kann man im Supermarkt anrufen und wird dann abgeholt und mit dem Einkauf wieder zum Schiff gebracht, ohne jeden Aufpreis. Der Dismal Swamp Canal entpuppt sich als ein landschaftliches Paradestück, stellenweise keine 10 m breit muss man höllisch aufpassen, dass man mit dem Mast nicht an einem der zahlreichen überhängenden Eichenäste hängen bleibt. Sehr idyllisch verbringen wir eine Nacht an einem Steg in der Mitte des Kanalabschnitts, idyllisch bis ein Ami mit Motorboot und einem Generator an Deck, so laut wie ein Flugzeugmotor, erscheint. Unser Engländer bittet ihn, das Ding abzustellen, was der Ami widerwillig und unter Gefluche tut. Nach Einbruch der Dunkelheit nehme ich eine Dusche auf der Heckplattform unseres Schiffes. Da erscheint die Frau (so ein 150 kg Persönchen) des Amis mit Kamera und blitzt mich beim Duschen, sie werde eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Aergernisses einreichen und das sei in den USA ein schweres Vergehen. Gestörte Leute gibt es überall !! Seitdem habe ich nichts mehr gehört, aber falls ich nicht in die Schweiz zurückkommen sollte, so könnte es sein, dass ich ich bei der Ausreise verhaftet worden bin – wegen Nacktduschens in der Dunkelheit. Mal sehen.Nach dem Dismal Swamp Canal nehmen wir Abschied von unserem Engländer (die Freundin musste schon in Savannah zurück nach England), er will sofort via Azoren nach England segeln, wir wollen noch Washington besuchen, bevor wir unser Boot in Virginia in einer Marina an Land stellen. Steve sollte eigentlich inzwischen (7.7.09) die Azoren erreicht haben, aber wir haben noch nichts von ihm gehört.Wir segeln nun Richtung Washington den Potomac River hoch. Es hat ziemlich viel Strömung, wir brauchen ganze vier Tage. Vor Washington wird der Potomac zu einer richtigen Kloake, Abfall, kaffeebraunes Wasser und zahlreiche Fische im Rückenschwumm sind nicht gerade einladend. Erstaunlicherweise ist dann der Ankerplatz mitten in der Stadt relativ sauber. Wir ankern und gehen beim Capitol-Yachtclub an Land. Gegen eine wirklich geringe Gebühr können wir alle Serviceeinrichtungen des Yachtclubs benutzen, sogar die Softdrinks an der Bar sind in den paar Dollars inbegriffen. Von hier aus erkunden wir während 5 Tagen Washington. Das ganze Programm: Capitolhill mit Capitol und Library of the Congress, das Weisse Haus, National Gallery, Air and Space Museum, Georgetown und nicht zuletzt das Spymuseum (Spionmuseum). Unser Eindruck von Washington, alles ziemlich gross und klotzig, oft sogar protzig, aber diese Stadt wurde ja auch gebaut mit der Absicht zu repräsentieren. Da ist uns noch was aufgefallen, über unseren Ankerplatz hinweg donnern dauernd Helikopter im Tiefflug. Im Yachtclub erklären sie uns, dass Regierungsleute und hohe Funktionäre per Helikopter von Sitzung zu Sitzung hetzten, aus Sicherheitsgründen und um Zeit zu sparen. Unter Clinton sei das aber viel schlimmer gewesen, der sei jeden zweiten Tag mit der ganzen Regierungscrew nach Camp David (Landsitz des Präsidenten) geflogen, um eine Partie Golf zu spielen, immer ein Konvoi von 10 bis 20 Helikoptern. Am Ankerplatz treffen wir dann noch das erste Schweizerschiff seit der Karibik, es sind Chantal und Fredy aus Genf mit ihrem Katamaran unterwegs nach New York und nächsten Winter dann durch den Panamakanal in die Südsee. Mit ihnen verbringen wir noch ein paar Tage und segeln dann wieder den Potomac runter zu unserem „Winterlager“ in Deltaville, Virginia. Hier heisst es nun putzen und räumen, eher mühsam bei den täglich 40 Grad Lufttemperatur und fast 90 % Luftfeuchtigkeit.So das war’s - unser 2 Jahrestörn ist zu Ende. Im Grossen und Ganzen ist alles gut gegangen, klar viele Routenänderungen und auch viele Reparaturen, verglichen mit den meisten anderen Booten unterwegs waren unsere Probleme aber Peanuts, kein Mast ist gebrochen, kein Kiel abgefallen, kein Ruder gebrochen, kein Motor ausgefallen, kein Getriebe ramponiert. Ende gut, alles gut.USA (Mai-Juli 2009)
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Von Nassau (Bahamas) aus wollen wir eigentlich noch in die Abacogruppe segeln, daraus wird leider nichts, denn wochenlanger Starkwind hält uns an den Ankerplatz bei Nassau gefesselt. So beschliessen wir dann Anfang Mai, direkt in die USA zu segeln, Ziel Charleston, South Carolina. Der Wind hält sich an den Wetterbericht und wir rauschen nur so über die grosse Bahamabank. Die sollte man bei Tage überqueren wegen den vorhandenen Korallenköpfen. Das ist aber absolut kein Problem, wir müssen nicht einmal einem Korallenkopf ausweichen, da scheint es überall tief genug zu sein. Nach dem ersten Tag kommt die erste Nacht und da fängt der Wind an, langsam einzuschlafen, der Golfstrom sollte uns Schub nach Norden geben, der lässt aber auch auf sich warten. Gegen Morgen dann Flaute und der Wetterfrosch spricht nun von einer tagelangen Flaute. Puh! Tagelang nach Charleston motoren wollen wir nicht, also beschliessen wir den nächstmöglichen Hafen in den USA anzulaufen, das ist Fort Pierce. Einen Hafen an der US-Ostküste anzulaufen ist gar nicht so einfach, es gibt zwischen Miami und New York keinen einzigen Hafen den man direkt von See aus anlaufen kann. Alle Häfen liegen hinter sogenannten Inlets (Einlässen), meist innerhalb einer Flussmündung, da muss das Timing wegen des Tidenstromes passen, sonst wird’s gefährlich. Zudem gibt es im genannten Küstenabschnitt nur 12 solche Inlets (Klasse A, bei jedem Wetter befahrbar). Vor der Küste ist es unglaublich weit hinaus flach, es gibt Inlets, da muss man 30 km !!!! vor der Küste schon in eine Baggerrinne einbiegen, weil man sonst bald auf Grund laufen würde. Zudem liegen vor der Küste bis ca. 40 sm (80 km) viele unbeleuchtete Hindernisse wie Fischzuchten, Bojen aller Art, man muss also höllisch aufpassen, dass man der Küste bei Nacht nicht zu nahe kommt, aber doch so nahe rangehen, dass man noch bei Tageslicht ein Inlet schaffen kann. Fort Pierce erfüllt unsere Ansprüche: kurze Einfahrt im Inlet, nahe an unserer Route, Port of Entry.